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Black Angel

~*::+::Schwarzer Engel::+::*~.








Langsam schritt er zwischen den Grabsteinreihen hindurch, auf der Suche nach der Wahrheit. Ein unbekanntes Gesicht, die Geister von Stuttgart hatten ihn noch nie zuvor gesehen.

Ganz in schwarz war er gekleidet, mit einem langen, triefenden Mantel darüber. Mit beiden Händen schlug er den Kragen seines Mantels hoch und zog ihn am Hals fest zu. Er fror, deutlich war sein Zittern zu sehen, und wahrscheinlich würde er sich den Tod holen, wenn er im kalten Februarwind weiterhin mit nassen Haaren auf Friedhöfen umherwandelte. Es muss schon einen ernsten Grund haben, wenn man sich bei solchem Wetter ohne auf die Gesundheit Rücksicht nehmend auf eine Suche begibt. Und da war er.

Er hielt bei jeder Reihe von Grabsteinen kurz inne, um sich umzuschauen, doch blieb nie stehen und suchte weiter.

Donner gollte aus nächster Nähe und er schaute nach oben gen Himmel. Sein Gesicht war klatschnass und wahrscheinlich schon völlig unterkühlt.

Er ging ein wenig weiter, blieb dann aber bei einer Reihe stehen, kramte in seinem nassen Mantel und holte einen Zettel hervor. Er faltete ihn auseinander, sah kurz darauf nach und warf ihn weg. Er hatte die richtige Reihe gefunden und ging jetzt zielstrebig an den Steinen vorbei.

Auf dem Zettel stand ein Name: Lisa. Danach kam ein Datum, wahrscheinlich das Todesdatum.

Als er vor einem Grabstein stehenblieb, blitzte es, und es donnerte zugleich. Ein verzerrter Schatten wurde von einem großen Baum geworfen, der direkt hinter dem nächsten Grab stand. Vor dem Grab ging er in die Knie. Lisa´s Grab. Der Mann öffnete seinen Mantel und zog eine Rose und ein Buch hervor.

„Für dich, liebe Lisa !" sagte er, durch den Regen kaum zu verstehen. „Es tut mir leid, dass wir uns nie wirklich kennengelernt haben. Jetzt bin ich das erste Mal in Stuttgart und muss dann erfahren, dass ich dich nie mehr sehen werde."

Er seufzte und wischte sich mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand seine Augen.

Die Rose legte er auf die Grabplatte aus Marmor. Dann nahm er das Buch und schaute es sich nochmal an. Es war in dunkelblauem Samt gefasst, ohne das Titel oder Autor draufstanden, und der Regen hatte schon beste Arbeit geleistet und es aufgeweicht.

„Dieses Buch habe ich nur für dich geschrieben. Vielleicht hast du ja gewusste, dass ich mittlerweile zwei Bücher fertiggestellt habe, und es tatsächlich Menschen gibt, die dafür Geld bezahlen. Aber kein großer Erfolg. Dieses Buch ist jedoch nur für dich."

Eine Kirchenglocke, nicht weit entfernt, schlug zur vollen Stunde, und es war jetzt acht Uhr morgens. Allerdings hatte es nicht den Anschein, als wollte sich die Sonne heute in den Himmel schwingen. Es blieb düster und regnerisch und immer mehr Gewitterwolken zogen am Himmel auf.

Für einen Moment neigte der Mann den Kopf zur Seite, weil eine Boe ihm kalt ins Gesicht blies.

„Weißt du noch, wie ich dir das erste Mal geschrieben habe ? Ich habe lange auf eine Antwort von dir gewartet, und als sie kam, habe ich mich in dich verliebt."

Einen kurzen Agenblick lang schloss er seine Augen.

„Und als ich das erste Mal deine Stimme hörte.... du warst betrunken, Halloween war gerade vorbei und ich war auch noch nicht lange daheim.... jetzt werde ich sie nie mehr hören."

Er verlor die Fassung, schlug die Hände vor sein Gesicht und atmete schwer. Es fiel ihm schwer zu akzeptieren, dass es endgültig war. Sein Magen verdrehte sich und ihm wurde ganz schlecht. Glücklicherweise hatte er zuvor nichts gegessen, so dass er diese Übelkeit noch im Zaume hielt.

„All das steht in diesem Buch, bis dahin, wo du für immer den Kontakt abgebrochen hast. Ich habe dir eine letzte e-mail geschrieben, und ich weiß, dass du sie gelesen hast. Leider hast du mir nie geantwortet."

Die Sirene eines Krankenwagens kam näher, vielleicht einen Häuserblock weiter, entfernte sich dann aber auch wieder und ging schließlich im Gewittergetöse unter.

„Es war unmöglich für mich, dich zu vergessen, das habe ich bis heute nicht geschafft. Und jetzt werde es in meinem ganzen Leben nicht können, da ich mir jetzt immer vorwerfen muss, etwas hätte ändern zu können, ohne es getan zu haben. Traurige Geschichte. Dir kann es auch egal sein."

Der Mann stand auf und ging zum einzigen Grablämpchen, bestehend aus einer gläsernen Kammer und einer verloschenen Kerze darin. Er öffnete das Türchen, nahm ein neues Ewiglämpchen aus dem Mantel und stellte es schnell in die Glasbehausung. Mit einem Feuerzeug entflammte er den Docht und schloss wieder kurz die Augen.

„Ich stelle dir das Buch hier herein." und tat dieses.

„Ich liebe dich, Lisa ! Leider...ist es bedeutungslos für dich geworden."

Ein greller Blitz zuckte vom Himmel herunter.

„Mach´s gut !" sagte der Mann und stand wieder auf.

Als er das letzte Mal einen Blick auf den Grabstein legte, spürte er einen warmen Schauer auf dem Rücken. Ihm schossen spontan Tränen in die Augen und ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Ihm wurde immer wärmer, und der Regen schien ihm fast nichts mehr auszumachen, als sich das wohlige Gefühl der Erinnerung auf seine rechte Schulter legte. Er schaute nach rechts und bildete sich ein, Lisa zu sehen, direkt neben ihm stehend, ihre Hand auf seiner Schulter. Sie hatte ein weißes Gewand an, dem der Regen aber nichts anhaben konnte. Auch ihre Haare zeigten keine Reaktion auf Wind oder Regen.

Sie lächelte ihm zu.

„Keine Angst, mein Lieber, du hast keine Halluzinationen und wirst nicht wahnsinnig. Ich stehe tatsächlich hier."

Er drehte sich zu Lisa und strich ihr mit der linken Hand über ihre Wange. Sie fühlte sich echt an, und sehr warm und weich.

„Du bist tot !" sagte er mit nüchterner Stimme.

„Ja, und ?"

„Was :´Ja, und !´. Hier ist dein Grab. Da gibt es keine wenn und aber. Und Tote können hier nicht im Regen stehen und sich so... so lebendig anfühlen !"

„Wie hättest du es denn gerne ? Lieber als Zombie ? Oder wär es dir in einem Café lieber ?" und sie neigte ihren Kopf zur Seite.

„Was bist du ?" fragte er.

„Das würde ich selbst gerne mal wissen. Vielleicht bin ich ein Engel oder sowas. Ich weiß es nicht. Ich wandere nur den ganzen Tag hier rum und kann nichts machen außer warten."

„Warten ? Worauf ?"
„Persönlich ? Persönlich habe ich drauf gewartet, hier endlich wegzukommen. Sinn war wohl eher, dass ich auf dich gewartet habe. Immerhin bist du der einzige, der mich sieht und mit mir sprechen kann und so Sachen... wie früher, als ich noch unter den Lebenden war. Na ja, Pech halt."

„Pech ?"

„Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich sehr gefreut, als ich dich endlich erkannt habe, dass du mich hier besuchen kommst...und ich liebe dich auch, schon seit einer Ewigkeit."

„Wie soll´s denn jetzt weitergehen ?"

„Ich habe keine Ahnung. Wahrscheinlich ist, dass ich erst einmal weiter hier bleibe, und du wirst wieder gehen." sagte Lisa.

„Aber irgendeinen Sinn muss es doch geben, dass wir uns hier treffen."

„Vielleicht...aber es hat keinen Sinn darüber nachzudenken."

„Ich möchte dich aber nicht hier zurücklassen."

„Oh, was willst du tun, hmmm ?"

„Mit dir kommen, wenn es dir helfen würde ! Vielleicht funktioniert´s !"

„Keine Ahnung. Dennoch eine dumme Idee. Du hast gerade Erfolg mit deinen Büchern und bist bestimmt glücklich."

„Ja, und ?" entgegnete er ihr.

„Warum willst du das alles aufgeben ?"

Der Mann beugte sich vor, und küsste sie auf den Mund. Dann nahm er ihre Hand und drückte sie auf sein Herz.

„Verstehst du ?" fragte er.

„Das wird nicht funktionieren. Willst du dich selbst umbringen ? Wer weiß, wo du dann hinkommst, bestimmt aber nicht zu mir."

„Wer weiß das schon..."
Ein gewaltiger Donner grollte hervor, zeitgleich mit einem Blitzeinschlag in dem großen Baum hinter den Gräbern.

Der Mann schaute nach oben und sah noch früh genau, wie ein brennender Ast auf ihn zuflog. Früh genug, um zur Seite zu weichen.

„Fast zu einfach !" sagte er stattdessen.

Er blieb beharrlich stehen und lächelte in der letzten Sekunde seines Lebens, nach der der Ast heftig auf seine Schläfe schlug und alles um ihn herum sofort schwarz wurde. Nichts war mehr zu sehen.

„Lisa ?"

„Hier !"

„Wo bist du ?"

Sie gab ihm in der Dunkelheit die Hand und drückte fest zu.

„Wo sind wir jetzt ?"

„Keine Ahnung !" sagte Lisa. „Hier war ich noch nicht."

„Kommt dahinten nicht Licht ?"

„Wo ?"

„Da, am Ende des schwarzen Tunnels !"

„Spinner !"

„Sagt man doch so, oder ? Hab ich letztens noch im ´Spiegel´ gelesen !"

Dann Stille.

Dunkelheit.

„Ich bin froh, dass du bei mir bist !" sagten sie beide gleichzeitig.

Sie haben nie das Licht am Ende des Tunnels gefunden. Aber das machte nichts...